Das große Ganze – die Veränderung der Aufgabenstellung

Es braucht Vorzeigeprojekte und sichtbare Ideen, um zu veranschaulichen, was mit vorhandenen Strukturen alles möglich ist. Zudem liegt es in der Verantwortung von uns Architekten und Architektinnen, in diesen herausfordernden Zeiten ein Umdenken in der Bauindustrie zu erzielen. Es ist also wichtig, das große Ganze zu betrachten.

Nora Heinzle, Anja Innauer - NONA Architektinnen

holzbau austria Magazin 3/2024
Foto: © Angela Lamprecht

Man liest und hört es überall, die Baukosten sprechen eine eindeutige Sprache – der Klimawandel auch. Grund und Boden sind rare Güter geworden, ein kluger und nachhaltiger Umgang damit ist oberste Prämisse. Grundsätzlich sollten laut Klimaberichten gar keine Neubauten mehr entstehen. Dass dies nicht der Realität entsprechen kann, ist klar. Jedoch spüren wir als Architektinnen seit einiger Zeit eine Veränderung in den Aufgabenstellungen, und das ist gut so.

Immer öfter werden eine Analyse des Bestandes und ein Vergleich zwischen Erhalten und Weiterbauen dem schon gesetzten Neubau vorgezogen. Hier können wir als Planerinnen gleich zu Beginn die Weichen stellen – erhalten oder abbrechen? Der einfachere Weg, auch in Bezug auf unsere Arbeit betrachtet, wäre oft ein Neubau. Im Bestand zu arbeiten, ist aufwändig, birgt viele Ungewissheiten und dadurch Überraschungen, welche es zu bewältigen gilt. Lösungsorientiert muss man hier sein, Kompromisse stehen an der Tagesordnung. Diese müssen dann auch von allen mitgetragen werden, was in unserem anspruchsvollen Denken und Leben gar nicht so einfach ist. Eine Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit ist Teil unseres Arbeitsalltages geworden. Dieses Engagement kostet Energie und Zeit, welche meistens nicht eins zu eins abgerechnet werden kann. Und doch engagieren wir uns für dieses Umdenken, für unsere Zukunft. Immer vor Augen das große Ganze.

Auf Bestehendem aufzubauen und im Bestand zu arbeiten, bedeutet, in den vorgegebenen Rahmenbedingungen neue Lösungsansätze zu finden. Die Materialeigenschaften des Holzes, wie seine Tragfähigkeit und Leichtigkeit selbst, können so eine Implementierung in etwas Bestehendes ermöglichen. Sei es hinzugefügt, hinein- oder daraufgesetzt. Hier zeigt das Multitalent Holz, dass es ein ausgezeichneter Zuspieler für diese Aufgaben ist. Durch den zusätzlichen Vorteil der Vorfertigung in den Werken und die lokale Verfügbarkeit kann der Aufbau gut geplant, in kürzester Zeit und dadurch emissionsarm umgesetzt werden. Der Modulbau wiederum lässt gleichzeitig eine einfache Skalierung und, wenn nötig, eine nur temporäre Nutzung zu. Dieser Vorteil von zeitlich begrenzten Nutzungen, also solchen, die zu einem späteren Zeitpunkt oder anders wiedereingesetzt werden können, trifft den Zeitgeist. Schnelllebigkeit, rasante Veränderungen sowie die damit einhergehende und geforderte Flexibilität – auch bedingt durch äußere Einflüsse und Bedürfnisse – werden hier abgeholt. All diesen Herausforderungen kann der Holzbau standhalten und gleichzeitig dem Verdichtungsbedarf entgegenkommen, ohne dabei auf Agilität zu verzichten.

Es geht aber nicht nur um Energieeffizienz, Kosten, Zeit und Nutzen. Holz ist ein sinnliches Material. Es lebt sich gut mit und in Holz. Wir fühlen uns wohl durch seine Wärme, der Geruch ist positiv konnotiert und wer streicht nicht gerne über eine fein geschliffene Holztischoberfläche. In Zeiten von künstlicher Intelligenz und exponentiell wachsender Robotik ist die Tatsache, dass wir mit fortschreitenden Technologien schon fast ausgestorbene und vergessene Handwerkskunst wiederbeleben können, etwas Beruhigendes. So können die durch den oft pragmatischen Modernismus oder rein durch den zu hohen zeitlichen Aufwand verschwundene Ornamentik und Gestaltungsmöglichkeiten wieder neu angedacht und ausprobiert werden. Dies lässt so manches nach ästhetischer Qualität suchende Architektenherz höherschlagen.

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